27.08.2006 Unterschiedliche Schöpfungsberichte in der Bibel?

Immer wieder wird behauptet, die Bibel enthalte zwei Schöpfungsberichte (1 Mo 1+2), die auf unterschiedliche Quellen und Schreiber zurückgehen. In Wirklichkeit handelt es sich beim zweiten Bericht um eine Ergänzung des ersten. Ein typisches Kennzeichen der hebräischen Ausdrucksweise ist nämlich die Wiederholung. Man nennt sie »Parallelismus«. Der gleiche Sachverhalt wird kurz hintereinander mit anderen Worten wiedergegeben, um seine Wichtigkeit zu unterstreichen. Oft wird auch in der parallelen Aussage der vorhergehende Text wie mit einer Lupe betrachtet, um Fakten nachzuliefern und Aussagen verständlicher zu machen. Dieses hebräisches Stilmittel muss auch bei der Betrachtung der zwei Schöpfungsberichte beachtet werden. Der erste Bericht schließt in 1 Mose 2,4a ab. Er gibt einen kurzen Überblick über die Entstehung der Welt in sieben Tagen. Der zweite Teil von Vers 4 springt zum 6. Schöpfungstag zurück. Bei der Aussage, dass bestimmte Pflanzen noch nicht erschaffen worden waren (Vers 5) geht es nicht um die am dritten Tag erschaffene Vegetation, sondern um Kulturpflanzen: Büsche, Gemüse und Getreide. Sie konnten noch nicht auf den Feldern wachsen - so der Bericht -, weil noch kein Mensch da war, der diese bestellen konnte. Vers 19 wird oft als Beweis gesehen, dass die beiden Berichte nicht übereinstimmen. Doch dort steht nicht, dass Gott die Tiere erst nach der Erschaffung des Menschen machte. Laut der grammatischen Form des Wortes machen liegt die Erschaffung der Tiere irgendwo in der Vergangenheit. Es handelt sich auch hier wieder nur um einen kurzen Rückblick. Der zweite Bericht beginnt also noch einmal mit dem 6. Schöpfungstag, um folgende Punkte herauszustellen:

1. Die Bedeutung der Erschaffung des Menschen. Er wurde von Gott mit eigener Hand gestaltet und ist außerdem Gottes Verwalter der Erde (Vers 15). Um ihm den Start in die Kultivierungsarbeiten der Erde zu erleichtern, erschafft Gott den Garten Eden mit zahlreichen Kulturpflanzen.

2. Die Bedeutung der Ehe. Durch die ausführliche Schilderung der Erschaffung von Frau und Mann wird der Wert des Menschen und besonders der Frau hervorgehoben. Die Einsetzung der Ehe durch Gott zeigt ihre Wichtigkeit für den Menschen (Vers 24). Sie ist - wie der wöchentliche Sabbat - etwas, das der Mensch aus dem Paradies mitnehmen konnte.

3. Die Voraussetzung für den Sündenfall. Der zweite Bericht schildert die Entscheidungsfreiheit des Menschen, die auf einen einzigen Punkt im Garten Eden beschränkt ist (Vers 16+17) Sie ist Bedingung dafür, dass der Mensch Gott aufrichtig lieben kann, weil Liebe und Freiheit untrennbar miteinander verbunden sind. Ohne diese Darstellung der Entscheidungsfreiheit des Menschen ist Kapitel 3 und damit der fortlaufende Bericht der Menschheitsgeschichte nicht verständlich.

Hätte Mose diese drei Punkte in den ersten Bericht eingearbeitet, könnte ein Leser leicht den roten Faden verlieren. Deshalb ergänzt er ihn durch den zweiten Bericht, der einige Details genauer schildert.

Quelle: Stimme der Hoffnung



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